Abgeschickt von Martin Pahl am 25 Dezember, 2010 um 00:42:58:
Antwort auf: Re: Setzzeug Felshaken von Thomas Kracker am 22 Dezember, 2010 um 01:54:04:
Hi Thomas,
das ist sicherlich ein größtenteils stimmiges Konzept, im Gegensatz zu den grottenschlechten klassischen Spits und Spitsetzern, die viele noch mit sich herumtragen. Trotzdem noch einige Anmerkungen:
Die Einbindetiefe von Expressankern ist deutlich geringer als die notwendige Bohrtiefe, empfehlenswert ist eine Bohrtiefe, die der Bolzenlänge entspricht. Nach einer Beschädigung kann der Bolzen dann einfach im Loch versenkt werden, ein Herausziehen ist ja meist nicht möglich. Empfehlenswert sind die etwas längeren 8mm - Anker, mit Ausnahme von (stark gespannten) Seilbahnen ist deren Haltekraft für eigentlich so ziemlich alle radiale Belastungen Belastungen beim Canyoning geeignet. Die Bohrdauer ist ja auch nur unwesentlich länger.
Es gibt einen sehr leichten, schwach gekröpften 13 x 17 Ringschlüssel für M8 und M10, mit dem sich das richtige Anzugsdrehmoment deutlich besser abschätzen läßt - hat aber nicht jeder Baumarkt (habe ich aber trotzdem bei Bauhaus gefunden)
Die Verwendung von Alu-Laschen kann bei entsprechenden Umgebungsbedingungen und Ankerbeschaffenheiten nach einiger Zeit zu erheblichen Sicherheitrisiken für die später Nachfolgenden führen, da es zu Nadelkorrosion oder Defoliation kommen kann. Der British Mountaineering Council hat dazu recht umfangreiche Untersuchungen angestellt.
Die Veröffentlichungen zu Ankern finden sich unter:
https://www.thebmc.co.uk/Feature.aspx?id=2411
Speziell der Installers Guide mit den Hinweisen zur Korrosion von Alu-Laschen:
https://www.thebmc.co.uk/Download.aspx?id=8
Daß auch Edelstahl bei warm/feuchten Bedingungen (Reunion / Dominikanische Republik) lebensgefährlich korrodieren kann zeigt:
http://www.theuiaa.org/news_199_Extreme-caution-advised-for-anchors-in-tropical-marine-areas
Eine Rotlackierung von "Notfallhaken" scheint im ersten Augenblick eine gute Idee zu sein, ist aber nicht wirklich zuendegedacht und macht letzendlich wohl auch gar keinen Sinn.
Welche Bedeutung hat denn eigentlich diese Rotlackierung für Nachfolgende?
- darf ich den Haken nicht benutzen, weil er unsicher sein könnte? Muß ich dann einen neuen eigenen (auch rotlackierten) setzen?
- muß ich damit besonders "vorsichtig" umgehen - was immer das auch auch heißen mag?
- darf ich den nicht axial belasten (das sollte man eh nicht machen)
- darf da nur eine Person dran hängen - müßte ich bei einem Rettungsmanöver also erst einmal einen zusätzlichen Haken setzen?
- muß dieser Haken bei einer "Schluchtsanierung" automatisch ersetzt werden?
- sind alle nicht rot lackierten Haken damit automatisch normgerecht und damit sicher?
Fakt ist, daß die meisten einzeln gesetzten Anker (im gegensatz zu geplanten Einsicherungsaktionen) nicht normgerecht sind, und damit nicht die höchsten Sicherheitsanforderungen erfüllen. Expansionsanker müssen dazu aus nichtrostendem, zäh-elastischem (also dynamisch belastbarem) Stahl in mindestens M10 x 70mm Einbindetiefe sein. Für Verbundanker (auch Klebeanker genannt) gilt Ähnliches. Nur dann können die geforderten Haltekräfte in axialer und radialer Richtung eingehalten werden.
Werden beim Einbau Fehler gemacht - was recht häufig vorkommen soll - (Bohrloch zu weit, Fels ungeeignet, Bohrstaub dringelassen, Kleber unwirksam oder nicht richtig vermischt, ...) dann werden die Haltekräfte auch nicht erreicht. Und spätere mechanische (Frostsprengung, Hochwasser,...) und chemische Effekte (Korrosion an Haken und Fels) können die Haltekräfte anfangs guter Haken später gegen Null gehen lassen. Also müßten aus sicheren "Normhaken" unsichere rote werden ... <satire> Vielleicht kann der DCV ja eine Expertengruppe einsetzen, der mehrmals im Jahr alle Schluchten begeht und alle Haken farblich nach Sicherheitskriterien kennzeichnet.. ;-) </satire>
In anderen Worten: Jeder Haken muß grundsätzlich (und soweit überhaupt möglich) vor der Verwendung auf seinen Zustand überprüft werden, egal ob rot oder nicht. Und normgerecht können z.Z. nur M10-Anker (17er Mutter, leicht zu erkennen), und Verbundanker (weniger leicht abzuschätzen) sein. Meines Wissens gibt es z.Z. kaum gängige normgerechte Einschlaganker oder normgerechte Anker mit Schraubbolzen.
Die Rotlackierung ist wohl eher was für die Staatsanwalt-Paranoiker unter uns, die sich nach einem Unfall mit einem "ich habe ja gleich gesagt, daß der nicht verwendet werden darf" vor irgendwelchen Schuldzuweisungen zu schützen hoffen.
Es wäre zu wünschen, daß sich mehr von uns sich nicht einfach nur mit der Farbe oder Größe der vorgefundenen Haken begnügen, sondern jeden verwendeten Haken grundsätzlich kritisch unter die Lupe nehmen. Ich habe leider schon mehrfach erlebt, wie Leute sich voller Gottvertrauen an dicke, aber völlig lose Edelstahlhaken gehängt haben, ohne auch nur einen Gedanken an die Belastbarkeit verschwendet zu haben. Haken, die ich anschließend mit einer Hand herausziehen konnte. Bei einer solchen Einstellung ist ein schwerer Unfall so gut wie vorprogrammiert.
Euch Allen ein gutes und unfallfreies Canyoningjahr 2011!
Martin Pahl