Re: Setzen und Entfernen von Sicherungsankern


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Abgeschickt von Martin Pahl am 08 Juni, 2011 um 10:15:29:

Antwort auf: Re: Setzen und Entfernen von Sicherungsankern von Christian Ortner am 07 Juni, 2011 um 15:11:31:

Hi Christian,

in Deinem Beitrag ist neben einigen guten Punkten leider wieder einmal sehr viel Polemik z.T. werden auch Äpfel mit Birnen verglichen. Es sind mir einfach zu viele Punkte um auf alle zu Antworten, also hier nur ein paar (z.T. mit eigener Polemik ;-)):

- kein Mensch schlägt vor, Bolzen in alte, abgeschraubte Spits zu drehen (ja, ich weiß, Kronenbohrhaken, aber die meisten kennen diese Dinger nun einmal unter dem Herstellernamen "Spit"). Der Vorschlag war, Expressanker mitzunehmen, um die Löcher von entfernten Ankern im Notfall nutzen zu können - und das kann durchaus sinnvoll sein. Ich kann mir nicht vorstellen, warum Du einem so überholten System wie dem des Kronenbohrhakens noch das Wort redest - es spricht wirklich nichts mehr dafür. Moderne Expansionsanker sind genauso schnell zu setzen, nicht teurer und ungleich viel sicherer und haltbarer. Vertritt der DCV übrigens seit 5 Jahren auf den Technik-Seiten (und der DAV mit sehr viel technischem Hintergrundwissen noch länger), sollte sich also eigentlich auch bis zu Euch Kommerziellen rumgesprochen haben
http://www.deutschercanyoningverein.de/canyoning/canyoning.php?name=kronenbohrhaken oder nach viel ausfürlicher beim DAV oder dem BMC (Britisch Mountaineering Council - die besten untersuchungen überhaupt zu Korrosion an feuchten Standorten!)
Um Deinen Vergleich mit der angeblichen billig-Mentalität zu bemühen: Heute noch Kronenbohrhaken einzusetzen (vielleicht weil man noch einen großen Vorrat hat und die Kosten für eine neue "Grundausstattung" scheut) ist in jedem Fall unverantwortlicher als beim Canyoning mal Aldi Trekkingstiefel zu tragen - so optimal sind 5-Tens ja auch nicht (trage ich aber, da Aldi meine Schuhgröße nicht hat ;-) ). Ich kenne übrigens aber auch keinen, der ein ein Euro Seil verlangt, die von Dir beschworene Geiz ist geil-Mentalität vermag ich - zumindest bei unseren Mitgliedern - nicht zu erkennen. Aber manchmal muß halt Polemik herahalten, damit man sich nicht über die sinnhaftigkeit einzelner Ausrüstungsgegenstände Gedanken machen muß. Und es ist halt einfacher zu sagen "Du bist zu geizig Dir einen (Joker, Lawinensonde, eigenen Notfallrucksack, Mini-Traxion, Wurfanker, Akku-Bohrhammer usw. - alles schon erlebt!) zu kaufen, als darüber nachzudenken, ob das auf der Tour wirklich Sinn macht.
Im Augenblick geht die Entwicklung beim Canyoning im Vergleich zum Bergsteigen anscheinend in Richtung Expeditionsstil - also alles für jeden Eventualfall dabei. Und das, obwohl die Schluchten immer besser ausgestattet werden. Es ist zu hoffen, daß der Weg wieder zurück zum "Alpinen Stil" gefunden wird - also nur das mitnehmen, was wirklich gebraucht wird und auch Schnelligkeit und Leichtigkeit auch als Sicherheitsfaktoren gesehen werden.

- Das mit den Fähigkeiten stimmt sogar, Klettern hat seine Schwierigkeiten und somit eine natürliche Auslese, die es beim Canyonig so nicht gibt. Das mag auch Ursache für den weit verbreiteten Irrglauben sein, daß beim Canyoning in erster Linie die Ausrüstung und einige vorgeschriebenen Abläufe das Entscheidende für die Sicherheit sind. Sicherheit entsteht aber im Kopf und ist in erster Linie eine Einstellungssache - durch Regeln o.ä. ist das jedenfalls kaum zu beeinflussen. Für Euch Kommerziellen ist das natürlich eine eigene Herausforderung, da viele Gäste sicherlich das Gefühl haben, mit dem Tourenpreis auch die Sicherheit mitgekauft zu haben und sich daher innerlich auch nicht den Risiken auseinandersetzten wollen. Dieser Effekt kann natürlich auch mal im Verein auftreten, da aber hauptsächlich in Großgruppen.
M.E. lassen aber sogar die Canyoninglehrbücher einige wichtigen Techniken außen vor, z.B. die dynamische Kameradensicherung (ja, das bringt auch mit einem "Statik"seil, auch mit normaler Canyoningausrüstung ohne Zusatzgeräte!!), z.B. wenn jemand, wie von Werner beschrieben, einen ausgesetzten Quergang zum Abseilpunkt machen muß.

- Die wirst ja nicht müde zu betonen, wie viel mehr Notfallausrüstung Ihr Kommerziellen durch die Schlucht schleppt als z.B. die DCV-Mitglieder. Hast Du Dir vielleicht schon mal Gedanken gemacht, warum das auch so sein muß? Ihr führt gänzlich unerfahrene Gäste mit Minimalausrüstung durch Schluchten, die weder Notfallausrüstung mit sich führen, noch im Notfall damit umgehen könnten. D.H. Ihr müßt sowohl das gesamte Fachpersonal wie auch die gesamte Notfallausrüstung mitführen, um z.B. eine Bergung von hilflosen Personen durchführen zu können. Der größte Teil Eurer Gäste dürfte im Notfall kaum eine Hilfe, sondern eher eine zusätzliche Sorge sein.
Bei DCV-Touren handelt es sich zum größten Teil um mehr oder minder erfahrenen Teilnehmer, die sowohl eine eigene persönliche Ausrüstung, wie auch eine eigene Notfallausrüstung dabeihaben und zumindest zum Teil auch damit umgehen können. Im Notfall kann also praktisch die gesamte Gruppe auch mit eigener Ausrüstung aktiv eingreifen oder zumindest unterstützend tätig sein. Also ein wirklich anderes Szenario und nicht vergleichbar mit Eurer Situation..

Private und kommerzielle Canyon-Begehungen haben beide ihre Berechtigung, es wird nur leider zu oft versucht, beim einen gut funktionierende Vorgehensweisen kritiklos auf die andere Gruppe zu übertragen, wo eben diese Vorgehensweise nicht mehr sinnvoll ist (siehe den Versuch, beim DCV einen einzigen, dezidierten Notfallrucksack in der Gruppe einzuführen).

Zurück zu den Haken und etwas pointierter als von ihm selbst gesagt: Werners Kritik war es nicht, daß schlechte, verrostete oder halb abgerissene Haken durch bessere ersetzt werden, sondern daß durchaus gute Haken aus ideologischen Gründen entfernt werden, weil man meint, den Rest der Canyoningwelt mit der eigenen Sicherheitsphilosophie und damit vollig anders positionierten Haken beglücken zu müssen. Ich finde er hat das gut und nicht übertrieben dargestellt und kann ihm nur zustimmen.

Also, wenn Ihr (damit sind jetzt alle Einsicherer gemeint) schlechte Haken ersetzen wollt: bitte - die Canyoningszene ist Euch dankbar. Aber bitte +- auch an ähnlicher Stelle, damit derjenige, der dort einen (sinnvollen) Haken erwartet nicht ins Verderben läuft. Eure eigene "Ideallinie" könnt Ihr auch noch setzen - aber laßt bitte noch ein paar Schluchten wie z.B. die Gamsgarten o.ä. über, damit diejenigen, die eine Herausforderung suchen noch etwas zu tun haben. Nicht jede Schlucht muß sicherheitstechnisch auf Anfängerniveau heruntergezogen werden - was gäbe es sonst noch zu erreichen, welcher Reiz bliebe noch? Bei den Kletterern hat sich das ja auch problemlos in Indoor-Kletter und "Hochgebirgs"kletterer getrennt, bzw., wie von Wolfgang angesprochen, das Respektieren unterschiedlicher Sicherungsphilosophien in unterschiedlichen Gebieten.

Ich denke wir sollten unseren Sport so betreiben, daß alle ihrer eigenen Spielart nachgehen können und nicht eine Gruppe der anderen diktiert, was richtig zu sein hat.

Gruß,
Martin



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