Re: Stuhlbach 2011


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Abgeschickt von Eddy Hofmann am 04 Januar, 2012 um 16:48:17

Antwort auf: Stuhlbach 2011 von Elias am 03 Januar, 2012 um 11:42:14:

: Hallo Gemeinde
: da ich nun wiederholt auf unser Video (http://vimeo.com/25618530) angesprochen wurde, folgt jetzt also der Bericht hierzu.

: Im Mai 2011 verabredeten wir uns, um am Sylvensteinsee Schluchten zu begehen. Für den ersten Tag entschieden wir uns für den Seiberts- und Rabenwinkelgraben. Bei gutem Wetter und normalem Wasserstand war es eine schöne Tour. Wir waren zu neunt, was eine grenzwertig große Gruppe ist, jedoch kannten zwei von uns den Bach schon (es war meine dritte Begehung) und die Fähigkeiten der Gruppe waren insgesamt sehr hoch, so dass auch noch Zeit blieb für ein paar technische Übungen. Wir wollten erst am nächsten Tag entscheiden welcher Bach begangen werden sollte, da das Wetter über Nacht umschlagen sollte. Es fing auch tatsächlich gegen 3 Uhr an zu regnen. Zunächst schwach, dann stärker und gegen zehn Uhr am Morgen am war der Himmel wolkenverhangen und es nieselte. Wir checkten noch einmal die Vorhersage und entschieden uns dann für den Stuhlbach.Wir wählten den Bach weil wir davon ausgingen, ihn auch bei mehr Wasser begehen zu können. Die Gruppe, nur noch zu siebt, fuhr also zum Parkplatz und machte sich anschließend auf den Weg. Eine Canyonistin blieb jedoch vorerst zurück und wollte am unteren Einstieg bei der Brücke auf die Anderen warten und nur den unteren Teil mitgehen. Es wurde also ein großzügiges Zeitfenster gewählt und in anbetracht der Wetterlage ein Notfallplan vereinbart. Da ich den unteren Teil des Baches schon begangen hatte, wollte ich mir beim unteren Einstieg an der Brücke einen Überblick über die Bedingungen machen. Wir machten uns also zu sechst auf den Weg und schätzten an der Brücke den Wasserstand zwar als höher als normal, jedoch als unproblematisch ein. Wir stiegen also weiter zum oberen Einstieg. Dort angekommen machten wir uns fertig und gerade als wir das erste Mal abseilten, begann es wieder kräftig zu regnen. Wir stiegen weiter ab, entschieden auch nach dem ersten hohen Abseiler, nach dem es links eine Möglichkeit gibt auf den Wanderweg aufzusteigen, weiter zu gehen. Kurz darauf, beim zweiten hohen Abseiler (eine Dopplestufe mit einem schlecht gesetztem Haken links) seilten wir ab, konnten aber das Seil nicht abziehen. Die Stelle ist bei viel Wasser sehr problematisch. Es folgt hier ein Abseiler über ca. 18m direkt im Wasser und der Haken ist schlecht weit unten im Bachbett angebracht, sodass dieser erstens schlecht zu finden und zweitens komplett überspült ist. Ich richtete eine Abseilstelle von einem etwas höher gelegenem Baum auf der rechte Seite ein um diese Stelle zu umgehen. Drei von uns waren währendessen damit beschäftigt das Seil frei zu kriegen. Das dauerte etwa 40(!)min. Selbst mit Flaschenzug und roher Gewalt ließ es sich nicht abziehen. Ich sah mir das Gelände an und suchte mir einen Fixpunkt um den Wasseranstieg verfolgen zu können. Das Wasser stieg sehr schnell an. Etwa 30cm in den 40min. Es war uns sofort klar, dass wir nun nach einem Notausstieg suchen mussten. Nachdem das Seil frei war, beratschlagten wir das weitere Vorgehen. Mit Blick auf die Karte stellten wir fest, dass noch wietere Zuflüsse den Stuhlbach noch weiter ansteigen lassen werden. Also brauchten wir schnell einen Ausstieg. Wir stiegen noch ein etwas engere Rinne ab, um anschließend auf der linken Seite, nach einem weiteren Zufluss durch den Wald zum Weg aufzusteigen. In Anbetracht der Zeit rannten wir nun den Weg zurück zum unteren Einstieg, da wir befürchteten unser Backup hätte zwischenzeitlich die Rettung alarmiert. Zum Glück war dies aber nicht der Fall. An der unteren Brücke angekommen trafen wir uns wieder und blickten fasziniert auf den nun reißenden Stuhlbach. Kajaks hatten wir leider keine dabei und so musste wir zu Fuß zurück zum Parkplatz.

: Fazit: Bei den vorausgegangenen Wetterprognosen war die Begehung des Stuhlbachs die falsche Entscheidung. Das rasche Ansteigen des Wasser kam vor allem daher, dass der Boden bereits zu vollgesogen war und den erneut einsetzenden Regen nicht mehr aufnehmen konnte. So floß das ganze Wasser direkt in die Schlucht und führte zu einem schnellen Ansteigen. Der Stuhlbach ist kein schwieriger Bach (jetzt sind auch die Sicherungen besser) und mit Sicherheit auch bei "mehr" Wasser machbar. Bleibt die Frage was dieses "mehr" bedeutet. Wären wir an diesem Tag weiter gegangen, hätten wir massive Probleme bekommen. Bei einer zweiten Begehung im Oktober wurde mir klar, dass nach "unserem" Notausstieg kein vernünftiger mehr kommt. Man kann sich zwar relativ leicht in Sicherheit bringen, sitzt dann aber fest. Bei den damals vorherschenden Wetterbedingungen wäre Bootfahren die schlauere Alternative gewesen.
: Noch zu betonen ist die absolut geniale Kommunikation in der Gruppe. Wir waren uns alle sofort einig und trugen die Entscheidungen gemeinsam ohne lang zu diskutieren.

: Wieder eine Erfahrung reicher.
: Elias Eberl

Man muss nicht alle Erfahrungen selber machen.

siehe DCV-Standards:
"Der Vorletzte, der abseilt, macht eine Abziehprobe"



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