Abgeschickt von Martin Pahl am 12 Februar, 2012 um 13:22:04:
Antwort auf: Re: Eiscanyoning von Stefan am 09 Februar, 2012 um 11:21:47:
Antworten:
: Liebe Leute, : bleibt doch mal auf dem Teppich. Ihr tut so, als ob man es hier mit lauter Ahnungsosen zu tun hätte, die - wenn man es ihnen nicht verbietet oder zumindest drastisch davor warnt - sich schlecht ausgerüstet und gedankenlos bei Lawinengefahr in die nächste, möglichst lange und aquatische Schlucht stürzen würden. Kennt Ihr solche Idioten? Ich - zum Glück - nicht. Und ich gehe hier auch von einem gewissen Fachpublikum aus, denen man nicht unbedingt sagen muß, daß ein Badeboot und Schwimmflügel für die Imster Schlucht suboptimal sind. : Wenn man sich aber umhört stellt man fest, dass mehr Leute auch im Winter mal eine Schlucht eigenständig gehen als man vielleicht ahnen würde. Und meistens hört dann auch mehr von Planungen im Vorfeld als von Dramen bei der Ausführung. So schlimm kann es mit der allgemeinen Verantwortungslosigkeit also nicht sein Es wäre also sehr angebracht, hier eher die Problematik des Wintercanyonings zu diskutieren und konkrete Empfehlungen zu geben als nur mit erhobenem Zeigefinger zu warnen. Die, die's wollen, werden erfahrungsgemäß trotzdem gehen, und die, denen es allein bei der Vorstellung schon gruselt wird man dadurch sicher nicht zum leichtfertigen wintercanyoning treiben. : Eigentlich wollte ich mal versuchen, eine unfassende Zusammenstellung der besonderen Herausforderungen, Risiken, benötigten Techniken usw. als Diskussionsgrundlage zu machen. Nicht, weil ich mich besonders dazu berufen fühle, sondern weil es hier Defizite gibt und es anscheinend sonst keiner macht. Und meine Aussagen auch gerne kritisieren zu lassen, wenn nur eine vernünftige Diskussion in Gang kommt. : Allerdings enthalten die beiden letzten Postings doch etliche sachliche Fehler, falsche Zitate (entscheidende Worter werden schnell mal - absichtlich? - weggelassen) und sind gleichzeitig so polemisch (Verantwortungslos, Forum zumüllen, etc), dass ich - leider - erst einmal nur auf die darin angesprochenen Punkte antworten kann: : Missverständnis Wärme/Kälte und Neo: : Ein Neo ist ein Anzug aus geschlossenzelligem Schaum, bei dem es akzeptiert wird, daß etwas Wasser in den Anzug - nicht aber in die Zellen eindringt. Dieses Wasser erwärmt sich auf der Haut und führt daher - da es nicht ständig zirkuliert - nicht zur Auskühlung per se. Im Gegensatz zu anderen Isolationsstoffen wie Thinsulate, Wolle, etc. verringert sich bei einem Neoprenanzug aufgrund der geschlossenen Zellen nicht die Isolationsfähigkeit wenn es naß wird. Damit haben lediglich Taucher zu kämpfen, da bei ihnen aufgrund des Wasserdrucks bei zunehmender Tiefe der Anzug - bis zum Auftauchen - immer dünner wird. Trotzdem kommen die, auch bei Temperaturen von ca. 4°C in der Tiefe - damit klar. Dann nimmt man halt einen dickeren Neo. Bei einem Neo kann aber natürlich die Verdunstungskälte eine Rolle spielen - aber nur bis das oberflächliche Wasser verdunstet ist. : Insofern, Stefan (welcher Stefan, es gibt hier mehrere?), ist der Vergleich mit Kletterstiefeln völlig falsch. Ich kenne sehr erfahrene Leute, die sich bei Expeditionen Plastiktüten um die Füße gewickelt haben, nur um zu verhindern dass durch Fussschweiß die Isolierung der Stiefel feucht und dadurch wirkungslos wurde. Wenn man beim Wintercanyonig normale Steigeisen tragen müßte wäre das ein Problem, da Steigeisen nicht auf übliche 5-Tens mit NeoSocken gehen, und kaum jemend so große Stiefel hat, daß er darin noch Neosocken tragen könnte. Außerdem ginge dabei gleichzeitig das Gefühl und die Kontrolle verloren. Ist aber kein Problem, da beim Wintercanyoning ein Frontalzackeneinsatz eigentlich kaum nötig sein sollte. wenn überhaupt reichen meist - und nur an den notwendigen Stellen - Halbsteigeisen (Grödel). Und die kann man auch mit Weichstiefeln und Neosocken einsetzen. : Falls Du beim Eisklettern kalte Füsse bekommst: achte mal darauf, ob nicht ein zu festes Schließen der Stiefel in Kombination mit einer sehr weichen Polsterung die Blutzirkulation stört - sogar zu stark elastizierte Socken können diesen Effekt haben. Und dann bekommt man ganz schnell kalte Füße. Moderne Isolatationsmaterialien sind eigentlich ansonsten so gut, daß es kaum noch Probleme geben dürfte. : : Kalte Füße sind zwar unangenehm - aber nicht wirklich gefährlich. Dazu muß man leider etwas ausholen. Der menschliche Körper funktioniert nur in einem sehr kleinen Temperaturbereich optimal. Wird der Körper zu warm, dann sinkt die Leistungsfähigkeit drastisch. Wird er zu kalt, dann schützt sich der Körper, indem erst die Blutzirkulation zu den Extremitäten gedrosselt wird, um den Kern warmzuhalten. Zu diesem Kern gehört der Kopf mit dem Gehirn! Gleichzeitig ist der Kopf das Körperteil, wo eine gesicherte Durchblutung am wichtigsten ist, über den wir gleichzeitig am meisten Wärme verlieren. Mit kaltem, ja sogar mit einem gefrorenen Fuß kann man noch weiterlaufen - mit einem unterkühlten Kern oder Hirn tritt in kürzester Zeit Benommenheit, Apathie und schließlich der Tod ein. Das kann u.U. schon 15 Minuten nach dem ersten Auftreten der Symptome passieren. Es gilt also die Wärme dieses Kerns zu schützen. : : Wir haben also das Problem, den Körper so zu isolieren, daß er bei Anstrengung weder zu warm, noch bei Ruhe allzustark auskühlt. Auch bei Wasserkontakt muß die Wärme gesichert sein. So schlimm mit dem Wasser ist das aber nicht. Auch bei -20°C Luftemperatur ist das Wasser nicht kälter als 0°C - also vielleicht 10-15 °C kälter als im sommer. Bin selbst dabei immer mit 5mm Neosocken ausgekommen und hatte immer Warme Füße, wobei ich dann darauf achte, dass sie neu und ohne Löcher sind. Will man auf Nummer Sicher gehen, dann nimmt man 8mm, aber immer lochfrei!. Das Problem ist eher das kalte Eis oder Schnee und die kalte Luft, vor allem bei Wind. : : Man sollte aber auch nicht den Fehler machen, zu viele dünne Schichten übereinander zu setzen. Da Neos relativ eng anliegen wird es dann leicht zu eng. Und gegen ein Neo anzuatmen, sprich bei jedem Atemzug den Anzug dehnen zu müssen, das ist extrem Kraftzehrend. : : Moderne Neos haben sich aber auch weiterentwickelt. Auf dem kaschierten Neopren sind innen an den Extremitäten meist auch noch Streifen aus glattem Neopren aufgesetzt, die sozusagen als Abdichtung dienen und eine weitergehende Zirkulation des Wassers Verhindern - allerdings nicht am Hals. Wichtig sind natürlich Neosocken, Neo-Handschuhe und die Haube, da a) den Kof vor Wärmeverlust schützt und b) verhindert, daß von oben Wasser zusätzlich in den Anzug eindringt, was natürlich im Wasserfall geschehen kann. Mit einem solchen gut dichtenden Anzug bleibt man - jetzt einmal von der Jahreszeit abgesehen - auch bei aquatischen Canyons noch relativ trocken. Mit einem solchen Anzug - und da widerspreche ich Dir ausdrücklich, Günther - kann man problemlos auch bei starken Minusgraden in eine Schlucht gehen, auch wenn man hier und da ins Wasser muß. Ausreichende mm und Lochfreiheit vorausgesetzt. Und zwar auch über einen längeren Zeitraum und ohne zu frieren. Und das ist nicht fahrlässig, sondern bewährt. : Da hier immer das Szenario "und was ist bei einem Unfall" beschrien wird: : Eigentlich gilt es immer, Touren zu so planen, daß dieses Szenario möglichst vermieden wird. : Daß man im Winter Zusatzklamotten- und Ausrüstung dabei hat und ein Notbiwak im Winter nur mit einem richtig großen Feuer, einer Schneehöhle oder ähnliches überstehen kann, versteht sich von selbst. Da hilft es nicht, mit dem lächerlichen Beispiel der Rettungsdecke im Sanipack, oder vielleicht noch den DCV-Teelichtern zu kommen. Aber auch das ist eine ganz eigene Thematik. : Ich habe diese Sachen jetzt etwas lang ausgebreitet, weil mich der Diskussionsstil hier nervt. Es ist halt immer leichter, den anderen zu verunglimpfen, ihm Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen, psychische Probleme oder was weiss ich für einen Unsinn als Motivation für das Posten zu unterstellen, anstatt sich wirklich mit den angesprochenen Punkten auseinanderzusetzen. Aber Ihr habt ja wenigstens noch ein paar Argumente gebracht, sonst hätte ich gar nicht geantwortet... Und vielleich läßt sich das mal ganz ohne Polemik fortführen. : Ich wäre auch noch gerne auf Probleme beim Zu- oder Notausstieg eingegangen, auf die Problematik von windverfrachtetem Schnee (oder von mir aus auch Lawinen) in der Schlucht, welche Sicherungs- oder Eistechniken man von unseren Bergsteigerkollegen übernehmen könnte oder müßte, auf zusätzliche, sinnvolle Ausrüstung, wie die Begehungszeiten sich ändern, Tageslängen, Gruppengrößen, usw., usf. Hätte gerne darüber diskutiert, welche Schluchten bei welchen Bedingungen geeignet sind, welche saugefährlich, auch gerade jetzt bei diesem doch untypischen Wetter mit extrem niedrigen Temperaturen, aber gleichzeitig Schnee und Wind, zumal ich mir von den Erfahrungen anderer Denkanstöße und neue Erkenntnisse erhoffe. : Gut, es ist jetzt nur die Erklärung herausgekommen, wie ein Neo in Zusammenhang mit Körperwärme funktioniert. Scheint aber auch notwendig zu sein. Vielleicht mag sich dann ein anderer mit den anderen Themen hier betätigen bevor der Winter ganz vorbei ist. Wichtig wäre es ja. : : Gruß, : Martin Pahl