Suchen Canyonisten das Risiko?


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Abgeschickt von Werner Baumgarten am 31 Januar, 2012 um 23:51:02

Dieser Beitrag bezieht sich auf den Beitrag von Martin Pahl vom 11.1. unter dem Titel „Risiko<->Verantwortung“ zum Thema „Stuhlbach 2011“.
Daß ich damals nicht darauf geantwortet habe, liegt an der hier geübten Zensur. Jeder, der meinen letzten Beitrag (zum Thema „Pinnwand“) vor 3 Wochen gelesen hat – der allerdings nur sehr kurz, keine 3 Stunden, zu sehen war –, wird verstehen, daß ich nach seiner kommentarlosen Löschung mich an diesem Forum nicht mehr beteiligen möchte. Ich bedaure, daß ein unabhängiges, unzensiertes Forum fehlt, in dem man sinnvolle Diskussionen vernünftig führen kann.

Da ich den Beitrag von Martin aber (als Betroffener) nicht völlig unkommentiert lassen möchte, melde ich mich ausnahmsweise noch einmal zu Wort. (Vielleicht bleibt mein Beitrag ja diesmal länger stehen?)

Zwei wesentliche Aussagen von Martin möchte ich korrigieren bzw. kommentieren.

Zitat 1: „Ob es verantwortlich war? Wahrscheinlich nicht.“

Es geht um eine Tour im Isorno (in Piemont; nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Fluß im Tessin), und zwar nicht bei einem AIC-Treffen.
Wir glaubten, daß sich das Wetter beruhigt hätte. Aber gleich nach dem 1. Abseiler ging ein Gewitter los. Hätten wir ein Gewitter für gewiß oder für wahrscheinlich gehalten, wären wir nicht eingestiegen. Da wir aber vor dem Einstieg die Möglichkeit eines Gewitters ausdrücklich in unsere Überlegungen einbezogen hatten, konnten wir trotzdem relativ gelassen bleiben und waren jederzeit Herr der Lage. Wir hatten recht: ich mit meiner Einschätzung, daß wir es zeitlich schaffen, und die anderen (welche die Tour nicht kannten) mit ihrem Vertrauen in meine Aussagen.
Also denke ich schon, daß unsere Entscheidung zu verantworten war. Besonders klug war sie allerdings nicht. Aber das ist deshalb deutlich geworden, weil der schlimmstmögliche Fall eintrat – hätten wir mit dem Wetter mehr Glück gehabt, hätten wir uns hinterher vermutlich keine Gedanken gemacht.
Schlimmer können sich die Faktoren auswirken, mit denen man nicht rechnet. So hatten wir in unseren Überlegungen nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß vor uns noch eine weitere Gruppe in der Schlucht war. Wenn für die große und langsame Gruppe nicht gerade ihre Evakuierung angelaufen wäre, kurz bevor wir auf sie stießen, hätten wir ein Problem gehabt. Wir hätten uns ja um sie kümmern müssen und sie nicht einfach überholen dürfen. Dann wäre unser Zeitplan nicht einzuhalten gewesen.


Zitat 2: „Es ist halt so, etliche (Extrem?-)Sportarten sind gerade dort am schönsten, wo es auch gefährlich wird.“

Im Nachhinein, nachdem alles gut ausging und auch keine Panik ausgebrochen war (auch nicht nach der Tour, als eine Mure drohte, uns die Ausfahrt zu versperren), empfanden wir die Tour als ein schönes Erlebnis und sie ist uns unvergesslich. Aber natürlich machen wir eine Tour lieber bei schönem Wetter. Der Isorno ist nicht weniger schön, wenn man die Tour bei Sonnenschein und wenig Wasser, in aller Ruhe und ohne Risiko macht, im Gegenteil.
Martins Aussage könnte man so verstehen (wie sie allerdings sicher nicht gemeint ist), daß eine Canyoningtour gerade dadurch schön wird, daß man das (eventuell tödliche) Risiko hat, von einer Flutwelle (durch Gewitter oder Kraftwerksausfall) erwischt zu werden. Aber das ist nicht richtig. Niemand macht eine Tour gerade wegen dieser Gefahr, sondern allenfalls trotz einer solchen Gefahr. Und es gibt viele sehr schöne Touren, die man weitestgehend gefahrlos machen kann und auch gerne macht.
Da es häufig vorkommt, daß mit einem Gewitter gerechnet werden muß, aber dann keines kommt, werden immer wieder Canyonisten trotz unsicheren Wetters sich für eine Tour entscheiden. Ebenso erfordert es immer eine Abwägung des Risikos, ob man einen schönen, aber wegen Kraftwerksableitung gefährlichen Canyon begehen will. Richtig gruselig finde ich, daß es Leute gibt, die glauben, wenn sie beim Kraftwerk anrufen (was natürlich häufig sinnvoll sein kann), dann kann ihnen ja nichts passieren, obwohl sie sehr wohl wissen müssen, daß das nicht stimmt. Also ich würde mich solchen Leuten nicht anvertrauen – da ist es doch wohl verantwortungsbewußter, ganz bewußt ein Risiko einzugehen (wenn es nicht sehr groß ist), als durch Autosuggestion das tatsächlich vorhandene Risiko zu leugnen. („Ich mache nichts Gefährliches. Ich mache aber diese Tour. Also kann sie nicht gefährlich sein.“???)
Ein ebenso beliebtes und genauso falsches Argument ist es, nach einer Tour bei unsicherer Wetterlage, wenn dabei kein Gewitter kam, zu behaupten, es bestand gar keine Gefahr, denn es gab ja kein Gewitter. (Aber es hätte doch eines geben können!)




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