Re: Setzen und Entfernen von Sicherungsankern (2. Teil)


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Abgeschickt von Werner am 07 Juni, 2011 um 10:45:06:

Antwort auf: Re: Setzen und Entfernen von Sicherungsankern (2. Teil) von RomySiegl am 01 Juni, 2011 um 16:12:19:

Auch mir geht es um die Sicherheit. Das Problem, auf das ich hinweisen möchte, ist der leider nicht sehr seltene Fall, daß das Bestreben nach Sicherheit den gegenteiligen Effekt haben kann, nämlich die Erzeugung von Gefahr.

Beispiel: Gros Riou, zentraler Teil (bei Cuébris, Esteron, Alpes maritimes). Der 1. Abseiler geht von einer Brücke. Man steigt auf das breite Steingeländer (kein Problem), aber die Haken erreicht man selbst auf Zehenspitzen und mit ausgestreckten Armen nur mit einem steifen Seil. Die Haken sind ca. 6m überm Wasser. Also auch einen halben Meter tiefer würden sie von keinem Hochwasser erreicht, jedenfalls sicher nicht von rollenden Felsbrocken.

Wie kam es dazu, daß hier statt der beabsichtigten Sicherheit gerade das Gegenteil erreicht wurde? Antwort: Weil nicht nachgedacht und nicht an Ort und Stelle der Einzelfall betrachtet wurde, sondern stur nach vorher ausgedachten festen Grundsätzen gehandelt wurde. (Und meiner Ansicht nach war sogar der zugrundeliegende Grundsatz schon falsch, aber da kann man geteilter Meinung sein.)

Noch ein Beispiel: Rio Barbaira (Ligurien), zweitletzter Abseiler (wenn ich mich nicht täusche). Während ich an den anderen Abseilern zwischen einer Vielzahl von Haken wählen konnte, habe ich hier nur zwei nebeneinander gefunden, aber schwer und nur unter Gefahr erreichbar (jedenfalls bei höherem Wasserstand). Wer sie gesetzt hat, hat sich offenbar dabei an den alten, besser erreichbaren Haken gesichert und diese anschließend entfernt. Motto: Warum sollen es andere so einfach haben wie ich?

In manchen Fällen kann man natürlich verschiedener Meinung sein, wenn nämlich Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen sind. Ich möchte hier noch einmal die schwierig zugänglichen und ausgesetzten Standplätze (manchmal vielmehr: Hängeplätze) nennen.
Nachteil: Gefahr beim Hingehen zumindest für den Ersten (ist in jedem Fall vorhanden, auch wenn man angeseilt hingeht). Außerdem haben viele Angst an so exponierten Stellen; und Angst erzeugt Unsicherheit und Fehler.
Vorteil: Wie du geschrieben hast, man kann von oben alles überblicken. Dies ist für Guides, die es mit Anfängern zu tun haben, sicher notwendig oder zumindest sehr ratsam und ebenso für Rettungskräfte.
Für gewöhnliche Canyonisten besteht in vielen Fällen solch eine Notwendigkeit nicht und ist der Vorteil gering. Denn bei den meisten Abseilstellen besteht keine Gefahr (jedenfalls bei normalem Wasserstand) und ist nicht einmal ein Ablängen des Seils notwendig. Außerdem ist ja einer der Vorteile der modernen Seiltechnik, daß der Erste so weit abseilt, bis er hinuntersehen kann und dann abgelassen wird, bis das Seil richtig abgelängt ist (wenn man unbedingt grundsätzlich ablängen will). – Prinzipiell sollte ein erfahrener Canyonist als Erster abseilen (der dann auch von unten Kommandos geben kann). Wenn erhebliche Schwierigkeiten zu erkennen oder zu vermuten sind, sollte immer der erfahrenste Mann (darf natürlich auch eine Frau sein) als Erster abseilen, auch wenn dies sonst von Nachteil ist. Ich denke, einige tödliche Unfälle wären vermieden worden, wenn man dies beherzigt hätte.



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