Abgeschickt von Werner Baumgarten am 27 Februar, 2005 um 16:35:59:
Überall auf der Welt, wo es Berge gibt, gibt es auch Canyons, und überall ist das Gehen zu, durch und in Canyons genau so selbstverständlich erlaubt wie das Wandern abseits von Canyons. Überall? Nein, ein kleines Land in der Mitte Europas leistet energischen Widerstand. Was ist die Ursache?
In der bayrischen Verfassung heißt es (Art. 141, Abs. 3): "Staat und Gemeinden sind berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen und Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten FREIZUHALTEN und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes FREIZUMACHEN ..." Ganz recht, dort steht nicht etwa ZU VERSPERREN und ZU VERBIETEN! Nun sind wir uns aber auch alle einig, dass die Natur zu schützen und zu erhalten ist. Und der Laie denkt unweigerlich: Canyons - das müssen ganz abgelegene, unzugängliche Gebiete sein, wo es sehr empfindliche Pflanzen und Tiere gibt, wohin niemand geht außer Canyonisten, und diese stören den sensiblen Lebensraum erheblich und nachhaltig. Dabei müßte, wer so denkt, sich nur einmal z.B. den Schronbach, die Gachentodklamm oder die Seinsbachklamm anschauen mit ihrem Massenbetrieb an Badenden, Radfahrern und Wanderern.
Um die Vorwürfe wissenschaftlich zu untersuchen, wurde vor Jahren vom Deutschen Alpenverein zusammen mit dem bayrischen Umweltministerium ein UNABHÄNGIGER Gutachter mit der Untersuchung beauftragt. Dieser kam zu dem Schluß, dass Canyoning im Untersuchungsgebiet (bayrischer und Tiroler Alpenraum) generell in geschiebeführenden Gewässern unbedenklich ist, im Einzelfall aber auf spezielle Gegebenheiten (eventuell Quell- und Tuffbereiche, Felsenbrüter) Rücksicht zu nehmen sei. Das Umweltministerium bot daraufhin den zuständigen Landratsämtern an, zu den in Frage kommenden, für das Canyoning zu widmenden Gewässern einen unabhängigen Gutachter zu schicken, um die Canyons zu besichtigen. So weit, denke ich, war alles in Ordnung (abgesehen von der ministeriellen Vorgabe, dass Canyoning in Naturschutzgebieten nicht zuzulassen sei).
Nun kommen die Landratsämter und stellen das Ganze auf den Kopf. Nach dem Motto "Die da oben haben uns gar nichts zu sagen" befragt man stattdessen den jeweiligen Naturschutzbeirat (der sich vorwiegend aus Waldbesitzern und Jägern zusammensetzt, also aus denjenigen, die am liebsten jeden Pilzsammler und Erholungssuchenden in "ihren" Wäldern des Landes verweisen würden), die Gemeindevertretungen (die von der Sache so viel verstehen wie ich vom Kühemelken) und die Ämter für Fischerei und Wasserwirtschaft. Das Ergebnis überrascht wohl niemanden.
Nach dem Grundsatz "Wir betonen so lange, dass ein Gutachten noch weitergehender Untersuchungen bedarf, bis ein Gutachten das von uns gewünschte Ergebnis bestätigt" hat der Bund Naturschutz ein Machwerk erstellen lassen, das an Frechheit seinesgleichen sucht: An einem Bach, in welchem kein Canyoning betrieben wird, da er ziemlich uninteressant ist (Pfanngraben), wurde eine (!) Messung, und zwar im Winter (!) durchgeführt, aus der folgt, dass Canyoning auf die Population von den untersuchten Kleinstlebewesen (wie Eintagsfliegenlarven) KEINE merklichen Auswirkungen hat. Stattdessen wird aufgrund von unbewiesenen Vermutungen und falschen Behauptungen als Ergebnis festgehalten, dass Canyoning schädlich sein muss. Dieses Elaborat wurde dem Landratsamt Miesbach zugeschickt in der offenbar nicht unberechtigten Hoffnung, dass man dort die Arbeit nicht liest oder versteht, sondern nur die der Messung widersprechende Zusammenfassung beachtet. Und dort dient dies offenkundig parteiliche und nachweislich falsche Schriftstück nun zur Grundlage für einen ablehnenden Bescheid (einen ganz anderen Bach betreffend). Dabei erfährt man nun auch noch nebenbei, dass neue Schutzgebiete geplant sind, in denen durch Verordnung Canyoning explizit verboten sein soll, wie dies im Berchtesgadener Land schon vor Jahren durchgesetzt wurde.
FAZIT: Unter dem Vorwand von Naturschutz und gesetzlichen Vorgaben werden Canyonisten in Bayern systematisch ausgesperrt.
Man kann nun der Meinung sein, dass man gegen die Behörden und die öffentliche Meinung machtlos ist. Meiner Ansicht nach ist es zwar unbequem und mühsam, aber wichtig und notwendig, Zivilcourage zu üben und die Behörden an sachlich ungerechtfertigten und verfahrensmäßig rechtswidrigen Entscheidungen zu hindern - durch den Gang ans Verwaltungsgericht. Der DCV muss nun in die Offensive gehen, um auch für künftige Generationen zu kämpfen, und zwar schnellstmöglich, um auf nachteilige Schutzgebietsverordnungen noch rechtzeitig einzuwirken. Oder wollt ihr später zu euren Enkeln sagen müssen: "Auch bei uns gibt es Natur, wie ihr sie aus dem Ausland kennt, aber hierzulande dürfen nur diejenigen dorthin, die es müssen, um Bäume zu fällen, Wild zu schießen oder Bäche zu verbauen. Und das ist auch unsere Schuld, weil wir uns nicht dagegen gewehrt haben."
Was meint ihr?